Arbeitsinspektorate und Unternehmen: Umgang mit psychosozialen Risiken

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Zwischen 2014 und 2018 lag der Vollzugsschwerpunkt des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) und der kantonalen Arbeitsinspektorate auf psychosozialen Risiken. Bei den Kontrollen in diesen Jahren wurde das Augenmerk verstärkt auf diese Risiken gelegt. Eine wissenschaftliche Evaluation hat nun gezeigt, dass sich die kontrollierten Unternehmen infolge des Vollzugsschwerpunkts in mehreren Bereichen statistisch signifikant verbessert haben. 

Stress, Belästigung, Aggressionen: Weil sie schwerer fassbar sind als andere berufliche Belastungen, stellen psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz für Behörden und Unternehmen eine Herausforderung dar. Wie gross die psychosozialen Risiken sind, hängt dabei stark von der Arbeitsgestaltung und -organisation ab: Die Art der Aufgaben, der Produktionsprozess, der Handlungsspielraum, die Information, die Kontrolle durch die Vorgesetzten, die sozialen Beziehungen und auch die Arbeitsbelastung haben unter anderem Einfluss auf sie.

Nur wenige Studien haben bisher untersucht, wie sich staatliche Eingriffe auf die Prävention dieser Risiken auswirken. Wissenschaftliche Daten ermöglichen die Ermittlung jener Faktoren, die ein staatliches Handeln erleichtern oder behindern, sie gestatten zudem auch die Optimierung der Interventionsstrategien. Aus diesem Grund beschlossen das SECO und die kantonalen Arbeitsinspektorate, eine wissenschaftliche Studie durchzuführen, welche die Wirkung des Vollzugsschwerpunkts auf die psychosozialen Risiken untersuchte.

 

Konzertierte Aktion

Der Vollzugsschwerpunkt wurde 2014 lanciert und lief bis 2019. Der Schwerpunkt wurde dabei sowohl vom Interkantonalen Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA) als auch den Sozialpartnern unterstützt. Das SECO organisierte Weiterbildungskurse für Inspektoren, baute eine Dokumentation und eine Webseite auf (www.psyatwork.ch) und nahm an verschiedenen Veranstaltungen teil, um Arbeitgeber und Spezialisten für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für diese Fragen zu sensibilisieren. Die Inspektoren wurden aufgefordert, bei ihren Audits und Besuchen die PSR systematischer anzugehen, indem sie die Unternehmen informieren, sensibilisieren und beraten. Sie wurden auch dazu angehalten zu überprüfen, welche Prozesse und Massnahmen die Unternehmen umsetzen, um ihre Angestellten vor Verletzungen der persönlichen Integrität (Diskriminierung, Belästigung usw.) zu schützen. Zudem sollten sie auch sicherstellen, dass die Arbeitsanforderungen den Fähigkeiten der Mitarbeitenden entsprachen. Das Erkennen von psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz ist jedoch stets die Aufgabe der Arbeitgeber.

 

Verbesserungen in mehreren Bereichen

Das SECO hat die Wirksamkeit der Besuche in Zusammenarbeit mit dem Institut d’études politiques, historiques et internationales der Universität Lausanne evaluiert. In zwei Gruppen von Unternehmen wurde eine Umfrage mittels Fragebogen durchgeführt. Das Sample deckte die drei Sprachregionen und die meisten Branchen ab, der Schwerpunkt lag jedoch im Dienstleistungssektor, in dem auch die Zielgruppen des Vollzugsschwerpunkts zu finden sind.

Der detaillierte Evaluationsbericht kann von der Webseite www.psyatwork.ch heruntergeladen werden. Daraus geht hervor, dass die Inspektionen in mehreren Bereichen zu Verbesserungen geführt haben, insbesondere beim Management von Gesundheitsschutz und Sicherheit, der Bereitschaft der Arbeitgeber, PSR vorzubeugen, und ihrer Kompetenz in diesem Bereich.

Gezeigt hat sich auch, dass die Grösse eines Betriebs und die Prävention zusammenhängen. Dies suggeriert das tendenziell bessere Abschneiden von Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden. Grund dafür ist, dass grosse Unternehmen über Ressourcen verfügen, dank denen sie Prozesse und Präventionsmassnahmen leichter umsetzen können. Im Gegenzug war aber der beobachtete Fortschritt bei den kleineren Unternehmen grösser. Das heisst, die Inspektionen hatten bei ihnen eine ausgeprägtere Wirkung.

Die Audits haben zahlreiche Unternehmen dazu bewogen, spezifische Präventionsmassnahmen zu ergreifen. Sie haben Prozesse zum Umgang mit PSR entwickelt (Leitbild oder Reglement, Klärung der Rollen bei der Behandlung dieser Problematik, Verfahren zur Konfliktbewältigung), bieten individuelle Unterstützung bei Schwierigkeiten (Anpassung der Aufgaben für gestresste Mitarbeitende, vertrauliche Beratung) oder haben ein Zeiterfassungssystem eingeführt.

 

Ermutigende Bilanz und Stossrichtung für das weitere Vorgehen

Die Resultate dieser ersten Studie ihrer Art zeigen die positiven Auswirkungen der Inspektionsbesuche. Sie bestätigen, dass die Behörden weiterhin in diesem Bereich aktiv sein sollten, und bestärken sie in ihrem weiteren Vorgehen. Die Aktivitäten der Arbeitsinspektoren bewirken bei den Unternehmen ganz klar Veränderungen bezüglich PSR.

Aussagen von befragten Arbeitgebern bestätigen aber auch, dass sie PSR noch anders wahrnehmen als die Behörden. Sie sehen darin nämlich vorwiegend ein individuelles Problem, bei dessen Entstehung die Arbeit nur eine marginale Rolle spielt. Deshalb beschränkt sich die Intervention des Arbeitgebers oft auf unterstützende Massnahmen und auf eine mehr oder weniger informelle Bearbeitung problematischer Fälle. Aus der wissenschaftlichen Literatur geht jedoch hervor, dass psychosoziale Risiken nur mit einem organisatorischen, kollektiven und partizipatorischen Ansatz vermieden werden können. Dieser Ansatz zielt nicht nur auf individuelle Unterstützung, sondern auch auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ab. Viele Unternehmen verbessern regelmässig die Arbeitsorganisation und das Arbeitsumfeld in ihrem Betrieb. Sie tun dies in der Regel, um ihre Produktion zu optimieren, ohne sich bewusst zu sein, dass solche Veränderungen auch die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden verbessern können. Hier besteht ein grosses Präventionspotenzial, das nur ausgeschöpft werden muss!
 


Dieser Artikel wurde in ungekürzter Fassung erstmals im EKAS Mitteilungsblatt Nr. 86 im April 2018 publiziert. Autor: Rafaël Weissbrodt, Dr. rer. pol., Europa-Ergonom, Staatssekretariat für Wirtschaft, Bern.

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